Trotz ihres jugendlichen Alters hat Anja Mettler schon viele Auftritte als Hackbrettspielerin bestritten, doch die Teilnahme am Nachwuchswettbewerb «Prix-Walo-Sprungbrett» in Birr war schon etwas Besonderes. Und dass sie Jury und Publikum mit ihrem Spiel begeistern konnte, und sie damit den kleinen Prix Walo in der Sparte Volksmusik gewann, war definitiv ein Höhepunkt im Leben der jungen Frau.
SONJA FASLER
Nicht in ihrer schmucken Fricktaler Sonntagstracht wie bei ihren Auftritten, sondern in ganz normaler Alltagskleidung sitzt Anja Mettler zusammen mit ihrer Mutter Katrin am Tisch in der gemütlichen Wohnküche in ihrem Daheim, dem Lindenhof, den ihre Eltern bewirtschaften, in Frick, und erzählt von ihrem besonderen Erlebnis, zu dem sie mehr oder weniger aus Zufall kam. So nahm sie nur an der Vorausscheidung, die am 20. Juni stattfand, teil, weil ein Bekannter aus der Fahnenschwingervereinigung Luzern, darauf aufmerksam machte. «Ich hatte an dem betreffenden Tag gerade noch bis zum Abend Zeit, mich für eine Anmeldung zu entscheiden», erinnert sich Anja Mettler lachend. Sie tat es, und das mit Erfolg, wie sich zeigte. Den Wettbewerb hat sie aber nicht in bester Erinnerung. «Es herrschte grosses Konkurrenzdenken.» Ganz anders sei die Stimmung dann am Final am 22. September in Birr gewesen, fast freundschaftlich empfand sie es. Weil die andere Teilnehmerin, eine Alphornbläserin fehlte, war die Konkurrenz zwar überschaubar, trotzdem war ihr Sieg verdient, musste sie doch eine gewisse Punktezahl in Bereichen wie Rhythmus, Gestaltung, Auftritt usw. erreichen, um die Fachjury zu überzeugen.
Gut vernetzt
Lampenfieber? Fehlanzeige. «Wenn ich Hackbrett spiele, kann ich alles andere gut ausblenden», erzählt Anja und schickt schmunzelnd nach: «Viel mehr Mühe macht es mir, vor Publikum zu sprechen. Obwohl Anja Mettler diesen Monat erst 16 Jahre alt wird, kann man sie als routiniert bezeichnen. «170 öffentliche Auftritte in neun Kantonen in 67 verschiedenen Gemeinden hatte sie schon», weiss ihr Mami, die feinsäuberlich Buch führt und immer ganz hinter ihrer Tochter steht, mit berechtigtem Stolz. Da Anja schon ein beachtliches Netzwerk in der Volksmusikszene hat, kommt sie vor allem über Mund-zu-Mund-Propaganda und dank ihrer liebevoll kreierten Flyer zu Auftritten.
Nun kann man das Fricktal schwerlich als Hochburg der Volksmusik und schon gar nicht des Hackbretts bezeichnen. Wie ist die junge Frau überhaupt auf dieses Instrument gekommen? Alles fing mit dem Chinderjodlerchörli des Jodlerklubs Frick an, dem sie im Kindergartenalter beitrat und in ihr die Liebe zur Volksmusik weckte. Als sie an einem Jodlerabend die damals bekannte junge Hackbrett-Musikerin Fabienne Schadegg spielen hörte, war Anja hin und weg von dem Instrument. Und als sie bei einem Auftritt mit dem Chinderjodlerchörli in der Fernsehsendung «Potzmusig» dem bekannten Hackbrett-Musiker Nicolas Senn, bis heute ein Vorbild für sie, begegnete, war die Begeisterung fürs Hackbrett vollends geweckt. Bereits in der ersten Klasse begann sie selbst zu spielen. Wobei es gar nicht so einfach war, jemanden zu finden, der Hackbrett unterrichtet. An der hiesigen Musikschule wird das Instrument ebenso wenig gelehrt wie überhaupt in der Region. Schliesslich wurden Mettlers bei einer Hackbrett-Lehrerin im luzernischen Hohenrain fündig, eine gute Stunde Wegzeit entfernt. Ihre Mutter fährt sie nicht nur jeweils hin, sondern unterstützt sie auch in anderen Belangen, etwa bei ihren Auftritten oder beim Stimmen des Instruments.
Dass Anja so schnell so gut sein würde, war alles andere als vorgegeben. «Mein Mann und ich sind nicht sonderlich musikalisch, und ein Instrument spielen wir nicht. Wir hören gerne Volksmusik, das ist alles», gesteht Katrin Mettler lachend.
Während der ersten Jahre hatte Anja alle zwei Wochen vor Ort Unterricht. Inzwischen nur noch alle ein bis zwei Monate einmal. Mehr liegt zeitlich nicht mehr drin, hat sie doch nach den Sommerferien ihre Lehre als Fachfrau Gesundheit am Kinderspital in Basel begonnen, ist also jeweils den ganzen Tag über ausser Haus und kommt abends oft erst spät nach Hause. Oft möge sie dann nicht mehr täglich üben wie noch zu Schulzeiten, gesteht die junge Frau, die sich jetzt vor allem am Wochenende ihrer Musik widmet. Und zu jeder Nachtzeit ist üben schon nicht möglich, weil ihr 18-jähriger Bruder als Bäcker-Konditor jeweils früh aus den Federn muss. Immerhin beherrscht sie das Instrument aber schon so gut, dass sie deshalb nicht ins Hintertreffen gerät.
Prix-Walo-Auftritt gewonnen
Die Ehrenurkunde und der Kleine-Prix-Walo-Pokal, ein goldener Stern, haben einen Ehrenplatz neben ihrem Hackbrett im Musikraum erhalten. Gewonnen hat sie am Prix-Walo-Sprungbrett übrigens einen Auftritt bei der 49. Prix-Walo-Gala Ende Mai in Zürich sowie eine Titel-Aufnahme in einem professionellen Tonstudio, entweder bei Carlo Brunner oder Philipp Mettler. Was sie mit der Aufnahme dann machen werde, wisse sie noch nicht, meint Anja schmunzelnd. Trotz ihrer Leidenschaft fürs Hackbrettspielen sieht sie es weiterhin als Hobby. Ein Musikstudium schliesst sie gänzlich aus. Notenlesen sei nicht so ihr Ding, gesteht sie, denn beim Hackbrett spiele man nach Gehör. Und wenn Noten, dann seien die mit Buchstaben gekennzeichnet. Das macht es jeweils auch nicht ganz einfach, zusammen mit anderen Instrumentalisten aufzutreten, obwohl das gelegentlich auch vorkommt. Meist steht bzw. sitzt Anja aber solo auf der Bühne und kann nach Belieben eines der gegen 30 Stücke abrufen, die sie im Kopf hat. Das schwierige am Hackbrettspiel sei es, Rhythmus und Tempo zu halten, findet sie, was regelmässiges Training bedingt. «Im Prinzip kann man von Volksmusik bis AC/DC jeden Stil spielen», verrät Anja, die jedoch die traditionellen Volksmusik-Stücke bevorzugt.
Neues Instrument dank «Hackbrett-Konto»
Für ihre Auftritte erntet sie nicht nur jedes Mal viel Applaus, in der Regel gibt es auch eine Gage, die sie jeweils auf ihr «Hackbrett-Konto» auf der Bank einzahlt. Das Hackbrett, dass Anja besitzt, wurde im Jahr 1992 hergestellt, es sei zwar noch ganz ordentlich, aber jetzt schwebt ihr ein neues vom bekannten Hackbrettbauer Werner Alder aus Herisau vor, Kostenpunkt rund 5000 Franken. Das Instrument ist aus Holz, versehen mit 125 Stahlsaiten, die jeweils in Fünferpaaren zusammenliegen. Die unverkennbaren Töne entlockt Anja ihrem Instrument mit den «Rüetli», also den Schlägern. Ihre ersten seien gänzlich aus Holz gewesen, inzwischen hat sie welche mit einem Carbon-Mittelteil, die leichter sind und besser «federn».
Das Hackbrett ist übrigens keine Schweizer Erfindung. Ursprünglich stammt es aus Persien. Seit dem frühen Mittelalter ist es dort als wichtiges, klassisches Instrument bekannt. Erstmals wurde es in der Schweiz 1447 in einem Zürcher Ratsbuch erwähnt, wie man bei der Google-Suche im Internet erfährt. In der Schweiz ist das Hackbrett vor allem im Appenzellischen sehr populär und auch noch in der Innerschweiz, wie Anja Mettler weiss. Im Aargau ist das Instrument nur selten anzutreffen und in Basel, wo sie jetzt arbeitet und zur Schule geht, gelte man damit gänzlich als Exotin, musste die junge Frau erfahren.
Erstes Bild: Anja Mettler aus Frick hat am Prix-Walo-Sprungbrett mit dem Spiel des Stücks «Erinnerungen an Zirkus Renz» alle überzeugt.
Zweites Bild: Die junge Hackbrettspielerin Anja Mettler anlässlich ihres Auftritts am «Prix-Walo-Sprungbrett».
Drittes Bild: Das Instrument stammt ursprünglich aus Persien und wurde in der Schweiz erstmals 1447 erwähnt.
Fotos: zVg