252 Stunden, davon 40 Stunden reine Flugzeit, und 21 gerettete Rehkitze – dies ist die Bilanz der Rehkitzrettung Wittnau. Die Gruppe «Rehkitzrettung Wittnau» ist dieses Jahr das erste Mal mit zwei Drohnen unterwegs, besteht aus Freiwilligen und wird rein durch diese sowie Spenden finanziert.
BETTINA KÄSER-SPICHER
In den Monaten Mai bis Mitte Juni gebären die Rehgeissen ihre Kitze zum Schutz vor anderen Wildtieren in den hohen Feldern. Die Nachgeburt frisst die Geiss auf, um jegliche Geruchsspuren vom Kitz zu entfernen. Ein Kitz hat in den ersten Wochen noch keinen Eigengeruch und keinen Fluchtinstinkt. Aus diesem Grund geht die Rehgeiss auf Nummer sicher und lässt ihr Neugeborenes mit seinen Tarnfarben (Flecken, wie Blumen) im hohen Gras oder Getreide zurück. Sie kehrt mehrmals täglich zum Kitz zurück, um es zu säugen.
Leider bringen nebst den Mäharbeiten auch Hunde ohne Leine Unruhe in dieses Naturphänomen. Die Geiss wird verscheucht und beachtet ihr Kitz je nachdem nicht mehr.
Die Rehkitzrettung Wittnau besteht mittlerweile aus zehn Freiwilligen, darunter auch Jäger aus Wittnau. Morgens um 4 Uhr wird mit dem Einsatz begonnen, meist dauert dieser bis 8 Uhr. Danach ist der Boden bereits zu warm, was den Einsatz mit der Wärmebildkamera fast unmöglich macht. Die Gruppe ist in Wittnau, Wölflinswil und Gipf-Oberfrick tätig. Eine Einsatzgruppe wird aus drei bis vier Personen gebildet und ist mit einer Drohne, Monitoren und einer Wärmebildkamera ausgestattet. Drei Drohnenpiloten haben die Retter aus Wittnau. Damit die Gruppe sich auf den Einsatz vorbereiten konnte und ein eingespieltes Team bildet, haben die Retter im Voraus mehrmals geübt.
Verblenden
Im Laufe des Tages erhalten die Jagdaufseher Anrufe diverser Bauern, die ihnen mitteilen, dass sie am Folgetag ihr Feld mähen werden. Jedes genannte Feld wird notiert und nach Region unterteilt. So kann sichergestellt werden, dass kein gemeldetes Feld vergessen geht und aufgrund der Lage des Feldes wird entschieden, ob das Verblenden reichen wird oder am Tag darauf zusätzlich abgeflogen werden soll. Die Rehkitzrettung Wittnau hat bis zum aktuellen Jahr keine Drohnenflüge gemacht, sondern die Felder verblendet. Das heisst die Felder werden von einer oder zwei Personen abgelaufen und in einem gewissen Abstand eine Stange mit Säcken in die Erde gesteckt. Die Gruppe kann stützt sich auf Erfahrungswerte und weiss, wann es sinnvoll ist, zusätzlich einen Piepser, der periodisch piepst, in einem Feld zu positionieren. Normalerweise werden alle Felder abends vor dem Mähen verblendet, auch jene, die am Folgemorgen mit der Drohne abgeflogen werden. Wenn jedoch das Verblendungsmaterial nicht reicht – was bei 18 Feldern vorkommen kann – werden die Felder, die abgeflogen werden, nicht zusätzlich verblendet, was ein zusätzlicher Druck für den Drohnenpilot und das Bodenpersonal darstellt.
Drohnenflüge
Am Morgen früh kriechen die Retter aus ihren Betten und machen sich bereit für ihren Einsatz. Sie nehmen nebst der Drohnenausrüstung, Holzharassen, Steine und Fahnen mit und fahren zu ihrem ersten Einsatzort. Dort angekommen, wird die Drohne für ihren Einsatz bereit gemacht, und das Bodenpersonal erhält einen zusätzlichen Monitor, auf dem die Wärmebildkamera zu sehen ist, um das Geschehen zu beobachten. Sobald der Drohnenpilot einen Fleck auf der Kamera sieht, fliegt er dem Fleck etwas entgegen, um zusammen mit dem Bodenpersonal zu entscheiden, ob es sich um ein Kitz handelt oder nicht. Jedes Feld wird bis auf den kleinsten Winkel so durchgearbeitet.
Entscheidet die Gruppe, dass es sich um ein Kitz handelt, läuft die Bodentruppe los in Richtung des sichtbaren Fleckes. Liegt tatsächlich ein Kitz dort, wird vorsichtig eine Holzharasse über das Kitz gestellt, ein Stein auf die Harasse gelegt zur Befestigung und neben die Harasse eine kleine Fahne platziert, damit der Bauer beim Mähen sieht, dass dort eine Harasse mit Kitz befindet.
Nebst den Kitzen werden auch regelmässig unbewachsene Flecken oder Steine vom Bodenpersonal gefunden. Teilweise kommt es auch vor, dass wenn sich das Bodenpersonal dem Kitz nähert, dieses aufspringt und davonrennt.
Ist das ganze Feld abgeflogen, darf der Bauer das Feld mähen. Während dem Mähen nimmt er das Material aus dem Feld und legt es an den Feldrand. So kann einer der Freiwilligen abends das Material einsammeln.
Gute Zusammenarbeit mit den Landwirten
Bei der Rehkitzrettung von grosser Wichtigkeit ist die gute Zusammenarbeit mit den Bauern. Dies funktioniert in Wittnau gut und macht den Freiwilligen Freude.
21 Kitze beschützt
Die Gesamtzeit der Gruppe beträgt für das Jahr 2022 252 Stunden, davon sind rund 40 Stunden reine Flugzeit und 21 Kitze konnten vor einem möglichen Mähtod beschützt werden. Meist handelt es sich um drei bis vier Felder, die abgeflogen werden, aber auch 18 Felder an einem Morgen ist schon vorgekommen.
Um ihre Arbeit für die Öffentlichkeit sichtbar zu machen, hat die Rehkitzrettung Wittnau eine öffentliche Facebook-Gruppe (Rehkitzrettung Wittnau) gegründet und berichtet dort regelmässig mit Fotos über ihre Tätigkeit. Wer die Rehkitzrettung Wittnau unterstützen möchten, darf dies gerne tun (Jagdgesellschaft Wittnau West, 5064 Wittnau / CH46 8080 8003 7016 0269 6).